Rede zur NICHT-Einführung der Pkw-Maut

Rede von Udo Schiefner am 26. Juni 2019 im Deutschen Bundestag zur Aktuellen Stunde: Scheitern der Pkw-Maut und Kosten für den Steuerzahler

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute, in dieser Aktuellen Stunde, sprechen wir über die Nichteinführung der Pkw-Maut. Ich hätte mir – natürlich unter anderen Umständen – diese Diskussion schon im Juni 2015 gewünscht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Schon 2016 sollte die Pkw-Maut erhoben werden; das ist über drei Jahre her. Nach Abzug der Kontroll- und Verwaltungskosten rechnete der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt mit Einnahmen von jährlich 500 Millionen Euro. Ein überzeugendes Argument war das damals bereits nicht. Der personelle und administrative Aufwand stand, wie ich finde, zu keinem Zeitpunkt in einem guten Verhältnis zu dem politischen Streit um dieses Symbolthema, meine Damen und Herren; (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Oliver Krischer [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) denn mit 500 Millionen Euro – um das einmal bildlich darzustellen – kann gerade einmal die A 39 um die 45 Kilometer zwischen Lüneburg und Uelzen verlängert werden. (Beifall des Abg. Falko Mohrs [SPD]) Zum Vergleich: Allein mit den Einnahmen aus der Kaffeesteuer könnte man die doppelte Strecke finanzieren. (Oliver Luksic [FDP]: Kommt die Bierzeltsteuer!)

Doch was haben wir jetzt, im Juni 2019? Statt einer halben Milliarde Einnahmen bleiben uns nur Ausgaben. Die SPD hat von Anfang an deutlich gemacht, dass die Pkw-Maut nicht unser Verkehrsprojekt war.  (Ulli Nissen [SPD]: Nicht unbedingt!) Wir haben – dies hat Frau Lühmann eben erläutert – einen Koalitionsvertrag, und die SPD hat mit diesem Koalitionsvertrag vor allem ein sozialpolitisches Gesamtpaket durchgesetzt. Das nennt man nicht Geiselhaft, Herr Krischer, sondern Koalitionsvertrag. (Beifall bei der SPD – Oliver Luksic [FDP]: Ist aber im Kern das Gleiche!)

Auch Sie unterschreiben – in den Ländern – Koalitionsverträge mit Kolleginnen und Kollegen der CDU. Man lebt in der Politik, wenn man Koalitionen eingeht, nun einmal von Kompromissen. Frau Lühmann hat die drei Punkte angesprochen, die für uns wichtig waren. Ich möchte sie jetzt nicht noch einmal nennen. Aber wir wissen, dass alle drei Voraussetzungen nicht gemeinsam erfüllt werden. Nach dem Urteil des EuGH wäre nur noch – rein theoretisch; ich hoffe, auf diese Idee kommt keiner – eine Pkw-Maut möglich, die die Deutschen zusätzlich belastet. Ich kann hier für die SPD-Fraktion erklären: Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Das hatte Frau Merkel schon ähnlich formuliert!)

– Ich bin ja nicht Frau Merkel. Machen Sie sich da mal keinen Kopf!

Seit Beginn der Diskussion um die Pkw-Maut hatten wir große Bedenken, ob sie europarechtskonform sein kann. Der damalige und der jetzige Minister haben alle unsere Einwände stets vom Tisch gewischt. Alle rechtlichen Unklarheiten auf EU-Ebene seien ausgeräumt, wurde immer wieder gesagt. Das Gegenteil war offensichtlich der Fall. Ausgeräumt und klar war nun gar nichts. Trotzdem wurden Verträge unterschrieben. Auch hier hatten wir Bedenken angemeldet. Sören Bartol hat für die SPD-Bundestagsfraktion gewarnt. (Ulli Nissen [SPD]: Aber so was von gewarnt!)

Unsere Warnungen wurden ignoriert. Ich muss ganz deutlich sagen: Entscheidend sind auf europäischer Ebene nicht die Äußerungen eines Staatsanwaltes, sondern der Richterspruch, (Beifall des Abg. Falko Mohrs [SPD]) und solange der nicht da ist, besteht Unsicherheit. Deswegen waren die Warnungen richtig, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD)

Von Ihnen, Herr Minister Scheuer, erwarten wir jetzt, wie Sie es heute im Ausschuss gesagt haben, eine schnelle, klare und lückenlose Darstellung aller rechtlichen und finanziellen Konsequenzen. Ich gehe davon aus, dass Sie dies auch in den nächsten Wochen und Monaten umsetzen werden. Sie sprachen eben mit Blick auf die zu erwartenden Schadensersatzansprüche von rein spekulativen Zahlen, die derzeit durch die Öffentlichkeit geistern. Nur wenn Sie das, was Sie heute Morgen im Ausschuss gesagt haben, wirklich umsetzen, werden Sie solche Spekulationen vom Tisch bekommen. Wir werden Sie dabei unterstützen.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird die Abwicklung der Pkw-Maut sachlich und konstruktiv begleiten, auch wenn sich in den Reihen der Opposition der ein oder andere jetzt vor Schadenfreude auf die Schenkel klopft. (Dr. Christian Jung [FDP]: Das ist so ein Drama! Da macht man sich nicht lustig!) Ich glaube, so etwas bringt uns nicht weiter. Wir müssen hier sachlich und vernünftig zusammenarbeiten. Sie sind am Zug, Herr Minister, das umzusetzen, was Sie heute Morgen angekündigt haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD)