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Bürgergeld bringt Systemwechsel

heil-hubertus_2 Foto: Photothek

Das neue Bürgergeld bringt den Systemwechsel: mehr Respekt, mehr Vertrauen und vor allem bessere Vermittlung – in gute Arbeit statt in Hilfsjobs.

Bürgergeld statt Hartz IV: Ab dem 1.1. 2023 wird das neue Bürgergeld die alte Grundsicherung ersetzen. Damit vollzieht sich 20 Jahre, nachdem die Hartz-Kommission ihren Bericht zur Arbeitsmarktreform vorlegte, der als Grundlage für die tiefgreifenden Hartz-Reformen diente, ein fundamentaler Wandel des Sozialstaats.

Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag hat sich am Mittwoch auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt, am Freitag wurde das Gesetz von beiden Institutionen beschlossen.

Dieser bringt einen Systemwechsel und ein Kulturwandel, der für gute Arbeit statt Aushilfsjobs, mehr Vertrauen, mehr Respekt steht.

Damit reagiert die Ampel-Koalition auf die fundamentalen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt: vor 20 Jahren fehlte es an Arbeitsplätzen, heute fehlen Arbeits- und Fachkräfte. Das Bürgergeld leistet einen Beitrag zur Fachkräftesicherung. 

Gute Arbeit statt Hilfsjobs

Das Bürgergeld sorgt für ordentliche Arbeit statt Hilfsjobs. Das Ziel ist die Vermittlung in gute, ordentlich bezahlte und langfristige Arbeitsverhältnisse.

Aus- und Weiterbildung sind der Königsweg zurück auf den Arbeitsmarkt. Viele der Langzeitarbeitslosen haben keine abgeschlossene Ausbildung. Durch mehr und bessere Weiterbildung – beispielsweise durch das Nachholen eines Abschlusses können sie so nachhaltig in Arbeit gebracht werden.

Denn: Mit dem Bürgergeld entfällt der Vermittlungsvorrang. Dieser hat oft dazu geführt, dass Arbeitslose für nur wenige Monate in Hilfsjobs vermittelt und in der Folge schnell wieder arbeitslos wurden.

Deswegen soll mit dem Bürgergeld auch die berufliche Weiterbildung stärker gefördert werden: Wer sich für eine Ausbildung oder Umschulung entscheidet, soll intensiver unterstützt werden. Der Grundsatz „Ausbildung vor Aushilfsjob" steht künftig im Mittelpunkt. Dabei kommt auch dem Coaching eine wichtige Rolle zu. Teilnehmende an einer berufsabschlussbezogenen Weiterbildung bekommen ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro.

Wenn Leistungsberechtigte an einer Maßnahme teilnehmen, die für eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt besonders wichtig sind, erhalten sie einen Bürgergeld-Bonus von 75 Euro.

Die Aufnahme von Arbeit lohnt sich: Anlässlich der Einführung des Bürgergeldes werden die Grundabsetzbeträge für Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende erhöht, um die Erfahrung zu verstärken, dass sich eine Arbeitsaufnahme auszahlt.

Damit werden die Chancen für Kinder und Jugendliche verbessert und die Ungleichheit zwischen Kindern und Jugendlichen aus hilfebedürftigen Familien und solchen, die es nicht sind, verringert. Gleichzeitig wird insbesondere für Studierende und Auszubildende ein Anreiz zur Aufnahme beziehungsweise zum Aufrechterhalten einer Beschäftigung erhöht.

Mit der Erhöhung des Freibetrags im Bereich zwischen 520 und 1.000 Euro von 20 auf 30 Prozent des erzielten Erwerbseinkommens steigt der Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze. Weitere Verbesserungen erfolgen mit dem zweiten Bürgergeldpaket im kommenden Jahr.

Die Regelung zur Förderung für den sozialen Arbeitsmarkt wird entfristet. Ziel der Förderung ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen und Übergänge in nicht geförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang ist die Regelung bis 31. Dezember 2024 befristet.

Mehr Respekt, weniger harte Sanktionen

Das Bürgergeld sorgt für mehr Respekt im Sozialstaat – es wird auf partnerschaftliche Augenhöhe zwischen Staat und Bürger*innen gesetzt, unwürdige und überharte Sanktionen werden abgeschafft.

Es wird gesetzlich geregelt, dass Sanktionen auf maximal 30 Prozent des Regelbedarfs begrenzt werden, sie wieder zurückgenommen werden können und nicht mehr in die Kosten der Unterkunft sanktioniert wird.

Auch gibt es für Jüngere bis 25 Jahre keine härteren Sanktionsregeln mehr. Damit wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen – etwas, was vorher mit der Union nicht geregelt werden konnte.

Neue Vertrauenskultur

Auch nach den Veränderungen im Vermittlungsverfahren bleibt es dabei, dass zum ersten Gespräch im Jobcenter ohne Rechtsfolgenbelehrung eingeladen wird und dieses Vorgehen beibehalten werden soll, wenn der Kunde zum Termin erscheint. Es bleibt also bei der neuen Vertrauenskultur von Beginn an.

Gleichzeitig werden in der Karenzzeit die Wohnung sowie Ersparnisse ein Jahr lang geschützt. Niemand muss sich Sorgen machen, dass er beispielsweise nach Auslaufen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld durch die Arbeitslosenversicherung sofort sein Erspartes aufbrauchen und die vertraute Wohnung aufgeben muss.

In der Karenzzeit werden ein Jahr lang die tatsächlichen Kosten für die Unterkunft und die angemessenen Heizkosten übernommen. Und das Ersparte muss nicht aufgebraucht werden – sofern es sich nicht um erhebliches Vermögen handelt. Als erheblich gelten 40.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 15.000 Euro für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft.

Versicherungsverträge, die der Alterssicherung dienen, sind nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Das gilt auch für andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht als Altersvorsorge gefördert werden, und weitere Vermögensgegenstände. Auch hier wird der Lebensleistung der Menschen mehr Respekt entgegen gebracht als bisher.

Das Bürgergeld gibt den Menschen, die ihren Job verlieren, also Sicherheit, statt sich nach Ende des Arbeitslosengelds mit Verlustängsten plagen zu müssen. Sie können sich stattdessen darauf konzentrieren, wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zufassen und ihre Qualifikation zu verbessern.

Der Mensch im Mittelpunkt

Mit dem Bürgergeld wird das Versprechen unseres Sozialstaates erneuert: Er sorgt für Schutz und Chancen auch in schwierigen Lebenslagen – verlässlich, solidarisch, individuell.

Der Mensch und seine persönliche Lebenssituation stehen im Mittelpunkt. Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen Kooperationsplan ersetzt – ein „roter Faden" im Eingliederungsprozess –, der zwischen Leistungsberechtigten und Jobcentern erarbeitet wird.

Im Rahmen einer Potentialanalyse wird geschaut, welche Stärken der Arbeitsuchende mitbringt, um eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Neu ist auch die Einrichtung einer Schlichtungsstelle. Diese kann angerufen werden und soll tätig werden, wenn entweder der Arbeitsuchende oder aber das Jobcenter bei Meinungsverschiedenheiten bei der Aufstellung oder Erneuerung des Kooperationsplans diese anruft. Damit wird ermöglicht, dass Arbeitsuchender und Jobcenter vertrauensvoll und auf Augenhöhe miteinander sprechen können.

Der Regelsatz wird um rund 50 Euro erhöht und auch künftig zeitnäher an die Preisentwicklung angepasst, damit die Menschen ihren Bedarf auch decken können.

Weniger Bürokratie, mehr Zeit für Vermittlung

Mit dem Bürgergeld wird zudem überflüssige Bürokratie abgeschafft. Die Jobcenter werden von Rückforderungen und Kontrollen entlastet, stattdessen gibt es mehr Kapazitäten für Vermittlung und Betreuung. So wird beispielsweise zur Rechtsvereinfachung, die insbesondere die Verwaltung entlasten soll, eine sogenannte Bagatellgrenze für Rückforderungen eingeführt.

Im parlamentarischen Verfahren konnte die SPD-Fraktion eine Reihe von Verbesserungen erreichen:

  • Künftig sollen Reha-Bedarfe im Beratungsprozess besser erfasst werden.
  • Ein mögliches Coaching nach Vermittlung in Arbeit soll nicht nur auf sechs Monate begrenzt sein, sondern im Einzelfall bis zu neun Monaten einsetzbar sein.
  • Wenn jemand ein kleines Erbe erhält, wird es nicht als Einkommen gewertet und nicht vom Regelsatz abgezogen, sondern als Vermögen betrachtet und nur angerechnet, sofern die Vermögensfreibeträge überschritten werden.
  • Taschengeld beim Bundesfreiwilligendienst wird freigestellt, auch hier gilt für Jugendliche unter 25 Jahren, dass darüber hinausgehendes Einkommen bis insgesamt 520 Euro nicht angerechnet wird.
  • Zudem hat die SPD-Fraktion erreicht, dass Arbeitslosengeld II (künftig Bürgergeld) im Monat der Arbeitsaufnahme nicht mehr auf einen Schlag zurückgezahlt werden muss, wenn jemand eine Arbeit aufgenommen hat und nur deshalb Bürgergeld-Leistungen erhalten hat, weil das Gehalt erst am Monatsende gezahlt wird. Eine Rückzahlung erfolgt dann in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs und nicht mehr in einem Betrag.

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